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Praxisrundgang
   
Dentists for Africa - Nyabondo
www.dentists-for-africa.org

Bericht vom Hilfseinsatz von Dr. Stefan Scheinert in Nyabondo, Kenia 22.10.-4.11.2012

ImplantatEs war mein erster Einsatz für „Dentists for Africa“ und deshalb war ich schon ordentlich gespannt darauf, was mich in Nyabondo erwarten würde. So stand ich am Flughafen Kisumu mit einer durch 30kg Übergewicht aufgeplatzten Gepäcktasche, aus der schon die Zahnbürsten herausquollen und war froh, von Martin Ochieng und Sister Lilian pünktlich und freudig abgeholt zu werden. Es ging danach gleich erst mal zum Nakkumat-Supermarkt, wo die beiden mir anrieten, ich solle mir jetzt das Nötige für die nächsten zwei Wochen kaufen (so z.B. 30l Wasser) . Ich hätte ansonsten bis zu meiner Abreise aus Nyabondo keine größere Einkaufsmöglichkeit zu erwarten. Die beiden sollten damit Recht behalten.

Die anschließende Fahrt zum St. Joseph`s Hospital werde ich auch nicht vergessen. Es war schon dunkel . Die miserable Straße war voll von schlecht oder gleich ganz unbeleuchteten Autos, Mopeds, Fahrrädern und Fußgängern. Ich war nur froh, dass nichts passierte.
Mein Gästehaus auf dem Krankenhausgelände hat mich eigentlich positiv überrascht. Es war nicht sonderlich gemütlich, aber alles zweckmäßig und in Ordnung – für kenianische Verhältnisse schon komfortabel.

Am nächsten Morgen ging es dann erst mal in die zahnärztliche Unit, um die anderen aus dem Team kennenzulernen. Da wären Florence, die sich als Dental Health Officer um die Behandlung kümmert, sowie Karin, die für das Administrative und das Zahlungswesen zuständig ist. Die Patienten hier zahlen nämlich gleich beim Herausgehen für die Behandlung z.B. 3€ für das Zahnziehen. Das Karteiheftchen wird übrigens nicht so aufwändig geführt, wie bei uns, die Patienten bekommen es auch mit.

Mein erster Eindruck der zwei kleinen Behandlungsräume ist etwas gemischt. Der erste ca. 50 Jahre alte Behandlungsstuhl scheint funktionstüchtig zu sein. Die Behandlung ist hier aber nur im Stehen sehr gebeugt und verdreht durchführbar. Beim Gedanken daran durchzuckt es gleich meine Wirbelsäule. Glücklicherweise werde ich nur nebenan an der jüngeren brasilianischen Behandlungseinheit arbeiten.

Meine erste Patientin, eine ältere Dame mit Schmerzen wird herein begleitet. Ihr Zahn ist gelockert. Es gibt allerdings kein Röntgenbild. Auch die nächsten Male, die nächsten zwei Wochen wird es kein Röntgenbild geben. Es gibt nämlich in der Unit momentan und dass heißt wahrscheinlich schon sehr lange keine funktionierenden Röntgenfilme. Ich kann mich nicht erinnern, einen Zahn ohne Röntgenaufnahme entfernt zu haben, aber hier geht es nicht anders. Der Zahn war übrigens schnell gezogen, aber ich war schon sehr angespannt – sicherlich mehr als die Patientin.

Ich hatte schon ständig zu bedenken, ob auch alle Vorsichtsmaßnahmen gegen eine eventuelle Infektion wie doppelt getragene Handschuhe oder Mundschutz gemacht waren. Eine gelegentliche Sorglosigkeit wie sie in Deutschland mal passiert, ist hier bei einer Aidsquote von 15-20 % nicht angebracht. Eine ständige Aufmerksamkeit ist unerlässlich.

Anschließend machte ich mich erst mal mit dem Material- und Instrumentenbestand vertraut. Zangen, die wohl meist gebrauchten Instrumente standen in einer gezimmerten Holzkiste hinter dem Behandlungsstuhl. In den zwei vorhandenen Metallschränken befindet sich auch Material zur endodontischen und konservierenden Behandlung. Nach einem System geordnet war es aber nicht, man musste schon suchen. Einige Materialien waren dabei von denen ich vermute, dass sie von Jemandem in bester Absicht mitgebracht wurden, aber eigentlich nicht angewendet werden. Nachfragen bei Florence und Lilian bestätigten, dass sie Z.T. Nicht wissen, wozu manche Dinge verwendet werden und sie auch noch nie gesehen haben, dass es jemand benutzt hat. Wenigstens lassen sich erst mal die abgelaufenen Sachen aussortieren. Im hinteren Teil des Schranks stoße ich auf Unmengen von chirurgischen Instrumenten. Alles ist einzeln eingeschweißt, aber alles scheint nicht in Gebrauch zu sein. Die übrigen Schränke in den Behandlungszimmern sind Holzschränke. Eine Flächendesinfektion ist deutlich erschwert. Gleiches gilt für den Fußboden, wo die Wischdesinfektion aufgrund diverser fehlender Fliesen seine Grenzen hat.

ImplantatZum allgemeinen Tagesablauf sei folgendes vermerkt: Schmerzpatienten kommen eigentlich gleich morgens. Deutliche Wartezeiten kalkulieren sie ein. Zeit spielt in Kenia eine andere Rolle als bei uns in Deutschland. Nach Versorgung der Schmerzpatienten (es kamen ca. 2-8 Patienten), bei denen meistens extrahiert wurde, ging es folgendermaßen weiter:
Entweder haben wir den alten Reisekoffer und zwei Instrumentencontainer in das Auto geschafft und sind Schulen angefahren, oder es stand ein Tag in der Unit mit den herbestellten Schulkindern an. Die von uns (d.h. Martin, Karin, Florence, Lilian und mir) besuchten Schulen lagen in der näheren Umgebung. Da es sehr viele Kinder gibt, gibt es auch unglaublich viele Schulen. Klassenweise haben sich die Schüler auf dem Schulhof versammelt. Auf den Schulhöfen in dieser Gegend und ebenso auf dem Krankenhausgelände grasten häufig Nutztiere wie Kühe und Ziegen auf deren Hinterlassenschaften man achtgeben musste. Es gab dann zunächst eine Zahnputzeinweisung, meistens von mir. Diese war jedoch eher als Kennenlernübung gedacht. Ob von den Schülern überhaupt eine Zahnpflege und wenn ja, ob mit der Zahnbürste durchgeführt, dass wage ich nach meinen Eindrücken und Nachfragen vor Ort zu bezweifeln.

Die anschließenden Untersuchungen von Florence und mir teilten die Schüler in drei Gruppen. Kinder ohne Behandlungsbedarf gingen wieder in die Klasse, Kinder mit vorgesehenen Füllungen oder Zahnreinigungen ebenso, sie mussten aber zur Behandlung in die Unit nach Nyabondo kommen. Schüler mit Extraktionsbedarf wurden gesammelt, denn Extraktionen wurden im Anschluss an alle Untersuchungen gleich gemacht. Bei der Durchsicht saßen die kleinen Patienten auf einem ganz normalen Holzstuhl. Alle Klassenkameraden schauten dabei zu. Besonders bei den Älteren, 15-16jährigen gab es viel Gekichere und Geraune. Ich konnte davon ausgehen, dass dies die erste und für längere Zeit auch wohl letzte zahnärztliche Untersuchung war. Im Anschluss wurden die Lehrer gefragt, ob sie sich auch untersuchen lassen wollten. Meist haben sie die Gelegenheit wahrgenommen und sich vor den Augen ihrer Schüler untersuchen lassen und falls nötig auch Zähne entfernen lassen. Ich erinnere mich an eine etwas aufwändigere Osteotomie. Undenkbar bei uns in Deutschland.

Implantat

Die Arbeitshaltung war den ganzen Tag über sehr gebückt, verdreht, belastend , denn alles erfolgte im Stehen. Die anschließenden Extraktionen erfolgten nicht mehr draußen, sondern in einem Klassenraum am Fenster. Die Lichtverhältnisse waren richtig mäßig. Meine Kopfleuchte konnte ich wegen der Lupenbrille und dem Gesichtsschild nicht benutzen. Zeitweise musste Sr. Lilian, die mir assistierte mit ihrem Handy leuchten. Zu Beginn der Behandlungen bekamen die ersten Zehn (denn es gab nur zehn Trays) eine Anästhesie. Hatte ich anfangs noch die von mir mitgebrachten Karpulen mit den dünnen Nadeln, so waren die bald aufgebraucht und Einmalspritzen mit größeren Nadelkalibern mussten zum Einsatz kommen. Aspirieren ist damit leider kaum möglich gewesen. Danach wurde gezogen, z.T. Auch beim selben Schüler an mehreren Stellen mehrere Zähne. Ich kannte nur die Kisuahili-Worte „ fungoa“ = „Mund öffnen“ , und „uma“ =“Zubeißen“ - nämlich auf den Tupfer nach dem Zahnziehen. Zum Glück ließen sich alle Zähne entfernen, ohne dass eine Osteotomie nötig gewesen wäre. Die Möglichkeit der Entfernung einer frakturierten Wurzel hätte es auch gar nicht gegeben. Florence macht übrigens bei Zahnextraktionen niemand etwas vor, da ist sie sehr fit. Den zusehenden Kindern, besonders den Kleinen aus den unteren Klassen ist schon mulmig geworden, das konnte man sehen. Gelegentlich flossen auch mal Tränen. Im Ganzen haben es alle aber ganz toll gemacht. Die Belohnung war eine Zahnbürste mit Zahnpasta von mir und ein „good boy“ oder „good girl“ von Sr.Lilian. So haben wir z.B. am letzten Tag in 2 Stunden bei 35 Kindern ca. 50 Zähne gezogen. Ein Schulvorsteher hat uns anschließend einmal zu sich nach Hause zum Essen eingeladen. Seine Haushälterin servierte Ugali mit Fleischstückchen – zu verzehren auf Kenyastyle mit den Fingern.

ImplantatDie Tage in der Unit verliefen dagegen nicht so abwechslungsreich. Nach den morgendlichen Schmerzpatienten warteten wir auf die Ankunft der Schulkinder. Diese hatten sich gruppenweise auf den Fußmarsch zum Krankenhaus Nyabondo gemacht. Florence übernahm meist die Zahnreinigungen, ich machte die Füllungen- meistens mit Amalgam, seltener mit Composite und nie mehr als occlusale oder vestibuläre Füllungen. Zwischenraumkaries kam praktisch nicht vor. Zum Teil wurde auch gezogen. Nur in diesen Fällen war eine Anästhesie nötig. Das Bohren für Füllungen wurde tapfer ohne Betäubung ausgehalten. Die Turbine hatte Wasserkühlung, war allerdings etwas altersschwach und zog nur mäßig. Es war glücklicherweise noch ein Ersatz vorhanden, als sie ihre Dienste komplett einstellte.

Die Winkelstückkupplung besaß keinen Wasseranschluss, so dass ein rotes Winkelstück nicht zu benutzen war und auch das chirurgische Handstück bei Osteotomien kaum einzusetzen war. Das blaue Winkelstück funktionierte leidlich, natürlich ohne Wasser. Ich habe immer nur gehofft, dass es durchhält. Ersatz gab es nicht. Die Winkelstücke standen im Köcher der Behandlungseinheit recht hoch. Bei montierten Bohrern bestand somit Verletzungsgefahr für mich, so dass ich die Bohrer lieber sofort nach Gebrauch wieder abgenommen habe. Stromausfall kam nur einmal kurz vor. Ein Ausspülen war für die Patienten nicht möglich. Dies fand ich bedauerlich, da wie beschrieben viele Amalgamfüllungen gelegt wurden und die Überschüsse nur leidlich abgesaugt werden konnten, denn es stand in der Einheit für die Assistenz nur der kleine Speichelzieher zur Verfügung. Patientenumhänge und Servietten waren ebenfalls nicht verfügbar, für alles kam Klopapier zum Einsatz.

ImplantatAuch das Arbeiten selbst verlangte mehr Geduld, Improvisation und Umsicht als ich es von der heimischen Praxis mit zwei Helferinnen in der Assistenz gewöhnt war. Material und Instrumente musste ich mir schon selbst zurechtlegen, auch wenn Sr. Lilian, die mir assistierte eigentlich alles im Griff hatte. Wenn ihr Handy allerdings während der Behandlung klingelte, arbeitete sie nur noch einhändig weiter. Als Fazit bleibt festzuhalten: Ich musste deutliche Abstriche vom gewohnten Standard machen, aber irgendwie findet man sich zurecht und es klappt dann auch. Ich hätte mir etwas mehr Prophylaxemöglichkeiten in der Unit gewünscht. Problematisch sind die Schwierigkeiten beim Trockenlegen für Versiegelungen, aber Fluoridierungen sollten sowohl in der Unit als auch außerhalb möglich sein. Mitgebrachten Fluorlack habe ich Sr. Lilian erläutert und z.T. auch angewendet. Ich hoffe, in dieser Richtung ließe sich zukünftig etwas bewegen.

Ein besonders schönes Erlebnis im Rahmen meines Einsatzes war, dass ich Bekanntschaft mit meinem Patenkind, ein 10jähriges Mädchen und Vollwaise machen konnte. Ich denke, für beide Seiten war dieses persönliche Treffen etwas ganz Besonderes. Martin Ochieng, unser Fahrer und ich holten sie Freitag Nachmittag aus ihrer Schule in Bolo ca.25km entfernt ab. Ich hatte vorgeschlagen, mit ihr und Sr. Lilian sowie Martin Ochieng einen Wochenendausflug in die Massai Mara zu unternehmen. Martin hat das Ganze gut organisiert. Die Anfahrt von Nyabondo ist mit 5 Stunden zwar sehr weit und die beginnende Regenzeit schränkte uns etwas ein, aber wir hatten ein gelungenes Wochenende. Kenianer kennen ihr Heimatland kaum. Urlaub oder eine Safari können sie sich nicht leisten. Auf dieser Tour zeigte sich die Gläubigkeit der Kenianer besonders deutlich. Sr.Lilian wurde überall respektvoll bis ehrfürchtig erfreut empfangen. Sie kam jedes mal mit an den Geldautomaten, wenn ich Bargeld abheben wollte, und ich hatte dann das Gefühl, sie ersetzt 2 Bodyguards. Auch in anderen Situationen konnte ich die tiefe Verwurzelung des christlichen Glaubens der Kenianer feststellen.

ImplantatDie Arbeitszeit endete meist gegen 15.30 und da ich meinen Einsatz allein bestritt, hatte ich danach noch viel Zeit, die Umgebung des Krankenhauses zu erkunden. Zeitweise wurde dies durch die einsetzende Regenzeit mit schlammigen Straßen und Wegen behindert. Die Einheimischen waren jetzt mit Gummistiefeln oder gleich barfuß unterwegs. Ich sah viel von dem einfachen Leben der Kenianer. Fast jeder besitzt zwar ein Handy, aber es gab sehr viel Armut. Trotzdem sind alle sehr freundlich und verbindlich, man geht hier nicht aneinander vorbei, ohne zu grüßen. Auch wenn viele nur sehr wenig besitzen, so scheint es in der Gesellschaft doch viel Solidarität zu geben. Aufgefallen sind mir auch besonders die Kinder. Sie tauchten nie alleine auf und spielten auch ohne Spielzeug miteinander. Oft hörte ich schon ein lachendes „How are you“, wenn ich sie noch gar nicht entdeckt hatte. Das von „Dentists for Africa“ unterstütze Witwendorf St. Monica habe ich auch besucht. Es machte einen etwas verlassenen Eindruck.

Die Abende im Gästehaus waren etwas eintönig. Vorhandene Zeitschriften hatte ich bald vollständig durch. Trotzdem vergingen die zwei Wochen hier schnell. Alle, mit denen ich zu tun hatte, haben sich wirklich sehr nett um mich bemüht. Ob es das Essen war oder der täglich gebrachte Eimer heißes Wasser ( meist auf dem Kopf balanciert), weil die Dusche nicht funktioniert, ich kann mich über Nichts beschweren. Mein Dank gilt dem gesamten Krankenhauspersonal, der Frohnatur Sr.Lilian, die alles gut organisiert hat aber leider ihre Colaflasche mit den Zähnen öffnet, Martin Ochieng, der immer mal zum Quatschen `rüberkam und den Damen vom Witwendorf. Auch die der Reise vorangehende Betreuung und die Tipps von Dr. Pathe und Frau Pietschmann war sehr nützlich. Es war eine schöne, erfahrungsreiche Zeit mit vielen Begegnungen und Begebenheiten, in der wir auch einigen Menschen helfen konnten, obwohl es sicherlich nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein war.

Asante sana Kenya

 




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